AVT Köln

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Die Vermittlung von psychotherapeutischem Wissen findet in der Ausbildung in der Regel auf min­destens zwei Ebenen statt: zum einen geht es um das so genannte Therapie-Teaching (Störungswis­sen, schulenspezifische Techniken, spezifische und übergreifende Methoden usw.), zum anderen um die Reflexion bezüglich der fachli­chen Kompetenzen, der interaktions­bezogenen Komponenten und schließlich der Identität. Die Grund­lagen- und die Metaebene stehen im gesamten Ausbildungsverlauf in ei­nem rekursiven Verhältnis zueinan­der und finden in der Regel auch in einem zeitlichen, inhaltlichen und methodischen Zusammenhang statt.

Das Gemeinsame des Ausbildungs­teils auf der Reflexionsebene ist die Betrachtung der (therapeutischen) Arbeit. Dabei liegen die Schwer­punkte entweder auf dem technisch-methodischen Fokus (Supervision), auf den interindividuellen Abläufen (Interaktionsbezogene Fallarbeit) und schließlich, in der Selbsterfah­rung, auf der Beobachtung der in­traindividuellen Zustände und Pro­zesse. Natürlich überschneiden sich diese Schwerpunkte und ergeben so sowohl paarweise als auch gemeinsa­me Schnittmengen. Der Betrachtungsvorgang selbst läuft in allen Fällen in Form von Reflexionen ab, wobei die Prozesse der Handlungsebene (z. B. das Verhalten des Therapeuten) auf einer Metae­bene (z. B. durch den Supervisor) reflektiert werden. Aus der Perspektive der Selbsterfahrung bildet der „gemeinsame Nenner“ der Bereiche auf der Metaebene einen zentralen Aspekt von Psychotherapie ab, nämlich die – nur sprachlich begabten Systemen mögliche – Fähigkeit zur Selbstreflexion.

In der AVT hat sich ein Team aus Selbsterfahrungsleitern zu einer regelmäßigen Konferenz zusammengefunden, in der über die Art und Weise der Umsetzung dieses Ausbildungsteils diskutiert wird. Da das Thema Selbsterfahrung genuin nicht in der Verhaltenstherapie implizit war, gab es auch kein allgemeines spezielles Konzept für standardisiertes Vorgehen. Es erscheint auch wenig sinnvoll, hierbei manualgeleitet vorzugehen, da zum einen die VT – und damit verhaltenstherapeutische Methoden und Techniken – sich ständig weiterentwickelt, andererseits auch die Selbsterfahrungsleiter ihre Vorgehensweisen aus unterschiedlichen therapeutischen Ansätzen heraus entwickelt haben. Ohne Frage ist es allerdings unverzichtbar, sich auf einen gemeinsamen Nenner festzulegen und diesen auch an verhaltenstherapeutischen Grundlagen und -gedanken zu orientieren.

Grundlage ist dabei eine „Zielorientierte Selbstreflexion“ (Kanfer)‏, die sowohl Person-orientiert als auch Berufs-(Therapeuten-)orientiert ist.

Da wir Therapeuten als Personen ein wesentlicher Teil des therapeutischen Settings sind, können als Ziele der Selbsterfahrung gelten:

  • Personale Kompetenzen
  • Methodenkompetenz
  • Ressourcenkompetenz
  • Beziehungskompetenz

Zur Analyse, Exploration, Vertiefung und Erweiterung dieser Kompetenzen werden in der Selbsterfahrung u. a. eine Reihe von relevanten Themen reflektiert. Dazu gehören z. B.:

  • persönliche Stärken erkennen und im therapeutischen Setting anwendbar machen können
  • Bewusstwerdung von Wirkungen (erwünschte/unerwünschte) auf Patienten durch die eigene Persönlichkeit
  • Erkennen der Beeinflussbarkeit der Patienten (und der Therapeuten) und damit Übertragungs- /Gegenübertragungsprozesse
  • Prozesse der Problemaktualisierung und Problemexposition
  • Das Entdecken von blinden Flecken
  • Die Wahrnehmung von Körpersprache und Körpergeschichte
  • Das Kennenlernen der Patientenrolle und der Anwendung von therapeutischen Anwendungen „am eigenen Leibe“
  • Das Entdecken der eigenen impliziten Schemata (Muster), Grundhaltungen (Oberpläne), Systeme und Regeln
  • Einnahme der Transgenerationenperspektive
  • Verständnis für und Erfahrungen im Gruppensetting
  • therapeutische Grundkompetenzen wie Empathie, Echtheit und Wertschätzung
  • (evtl. verborgene) Motivationen zur Auswahl des Berufs (Verhaltenstherapie)

Dazu werden, – auch in der Therapie genutzte – Diagnoseinstrumente und Interventionen angewendet, wie z. B.

  • Erstellen einer eigenen Verhaltensanalyse zur Darstellung der individuellen Lerngeschichte, Beschreibung des eigenen Verhaltens, der Werthaltungen, der Eigenschaften auf den Ebenen Kognitionen, Emotionen, Physiologie, Motorik
  • Fragebögen zu Befindlichkeiten, inter- und intraindividuellen Fertigkeiten
  • Konfrontationsübungen
  • Kompetenztrainings
  • Rollenspiele
  • Kleingruppenarbeit
  • Vermittlung von Störungswissen und Psychoedukation
  • Gruppenspezifische, -dynamische sowie systemische Anleitungen und Übungen
  • Anleitung zur Selbstfürsorge
  • Vermittlung von ethischen, therapierelevanten kulturellen und philosophischen Aspekten sowie Menschenbildern
  • Anwendung von spezifischen Methoden und Interventionen aus der Verhaltenstherapie sowie anderen Therapierichtungen
  • Supervision/Coaching

Das einzelne Vorgehen lässt sich nach individuellen Schwerpunkten, Vorlieben, Wissen und Können der Leiter unterscheiden. Als eine weitere Variable ist die Zusammensetzung der Gruppe („Gruppengestalt“) zu berücksichtigen.

Durch dieses in unterschiedlicher Weise vermittelte Vorgehen entwickelt sich die Möglichkeit, über einen Selbstmodifikationsprozess den therapeutischen Prozess kennenzulernen und ihn als therapeutische Maßnahme nutzen zu können.