AVT Köln

Nach der Zwischenprüfung begann ein Abschnitt in der Ausbildung, den ich als das „Sahnehäubchen“ bezeichnen möchte. Sahnehäubchen deshalb, weil ich es – trotz aller Aufregung und Anspannung – als eine Krönung erlebe, Erfahrung und Wissen einbringen und anwenden zu können und dabei ein direktes Gegenüber zu haben mit seinen und meinen Reaktionen. Aber auch, weil ich mit den Feinheiten im Umgang mit einer zuweilen äußerst zerbrechlichen und möglicherweise auch sehr widerstandsfähigen Materie – um im Bild der Sahne zu bleiben – konfrontiert bin und damit umzugehen lerne. Das geschieht nach der Zwischenprüfung alles „live“, ohne zu wissen, ob es am Ende wirklich „Sahne“ wird, die dabei herauskommt, oder die – bei zu viel Engagement – eher „buttert“ oder sich aus anderen Gründen partout nicht das entwickeln lässt, was mit dieser köstlichen Leichtigkeit und mit einem Prickeln auf der Zunge zergeht.
Eine anstrengende und aufregende aber auch (be-)lohnende Arbeit – wie dieser kurze Ausflug in die Welt der Küchenzauberei zeigt.

Tatsächlich war und ist die Zeit zwischen den Prüfungen für mich (die hoffentlich letzte große Prüfung liegt jetzt greifbar nah vor mir) ein wirklich wichtiger Abschnitt, um endlich selbstständig therapeutisch zu arbeiten. Im Gegensatz zu der kränkenden Erfahrung während des Klinischen Jahres gibt es in diesem Abschnitt auch Geld – als (Teil-)Lohn für geleistete Arbeit, für den Aufwand an Zeit, an Engagement, an Denken und Tun mit Patienten, an Anpassung in bestehende Systeme usw. Und Wohnen und Essen und Trinken und Turnen und Geschenkchen kaufen und Kino und Seminare und Supervisionen bezahlen – bei aller Bescheidenheit in den Ansprüchen – geht immer noch nur im Austausch gegen Geld.

Die Vorstellung, als „Therapeutin“ eigenen Patienten gegenüber zu stehen, bedeutete nach der Zwischenprüfung zunächst, nun „an der Front“ zu stehen, für das Tun selbst verantwortlich zu sein (auch wenn der Status der „Auszubildenden“ im Hintergrund mitschwingt und Verantwortung vom Ambulanzleiter mit getragen wird). Dennoch wurde es an dieser Stelle spürbarer ernst und real: Dies zeigten die vielen kleinen Momente, die vor, während und nach persönlichen Kontakten mit Patienten erlebt und bewältigt werden wollten. Fragen tauchten auf, Unsicherheiten, Ängste: Wie mache ich das denn? Was soll ich tunlichst vermeiden, damit der Patient nicht laut schreiend vor Zorn oder Enttäuschung davon läuft und sich umbringt? Hier waren Gespräche mit Kolleginnen, mit dem Ambulanzleiter, mit Dozenten der Ausbildungsseminare wichtig. Hier halfen Austausch, Kommunikation, Literatur und das „einfach Tun“, also das Handeln, das Anwenden, das Ausprobieren, das mutiger Werden, das kreativ sein Dürfen, das Intuitive, das Spontane, das sich von Manualen Wegbewegen genauso wie das sich an Manualen Orientieren. Auch meine beruflichen Erfahrungen in einer Tagesklinik, in der ich kurz nach der Zwischenprüfung eine Anstellung fand, ließen die ersten unsicheren Schritte zunehmend sicherer werden. Und ganz wichtig war für mich: Ganz viel Freude wurde spürbar, die Freude an der Arbeit mit Menschen, die meinen späten Berufswunsch sowie die mühsame Realisierung dessen mehr und mehr rechtfertigte. Freude als ein Teil des Sahnehäubchens.

Solche Fragen des „Wie“ (...mache ich das denn dann ganz praktisch?) beschäftigten mich in der Übergangszeit natürlich sehr. Darüber hinaus gab es unmittelbar nach der Zwischenprüfung noch die Klärung der „Wo?“-Frage: Wo finde ich die Patienten? Wo meinen Platz, an dem ich neue Erfahrungen machen werde, wo ich mich akzeptiert und unterstützt fühle, wo die äußeren Bedingungen meinen Vorstellungen entsprechen oder zumindest diesen sehr nah kommen? Wo ist dieser Platz und wie sieht er aus?

Gemeint ist hier natürlich die Lehrpraxis mit Praxisinhaber und Praxisräumen und Praxisausstattung und weiteren Ausbildungsteilnehmer/innen usw. Mir war klar, dass ich leider meine praktische Ausbildung nicht – wie zuvor das Klinische Jahr – „im Galopp“ machen würde. Mit einer 75% Stelle sowie langen Fahrzeiten konnte ich nur mit einer kleinen Patientenanzahl in Köln arbeiten. Ich erwartete also, dass ich mich eher wie ein Ackergaul, langsam aber stetig, vorwärts bewegen und eine längere Zeit in einer Lehrpraxis verbringen würde. Deshalb wollte ich als ein erstes Kriterium bei meiner Suche nach einer Ausbildungspraxis die räumliche Nähe zu meiner Wohnung berücksichtigen. Galt es doch, Fahrzeiten zu begrenzen und zusätzlichen Energiefressern keine Nahrung zu geben. In unmittelbarer Nähe meiner Wohnung wurde ich fündig, der telefonische und persönliche Kontakt war schnell hergestellt. Erste Begegnung, Wahrnehmen mit allen Sinnen – passt es hier für mich? Wie geht es mir hier? Angenehmes und freundliches Begegnen, dennoch: Zu Hause wieder angekommen wurde deutlich, dass mich irgendetwas nicht ganz glücklich machte. Der ersten Erleichterung, „den Platz“ so nah gefunden zu haben, folgte Unsicherheit. Der Unsicherheit ein zweites Gespräch auf der Suche nach Klarheit, eine zweite „Begehung“ der Praxis und Begegnung mit dem zweiten Therapeuten. Danach war ich sicher: Ich werde weiter suchen müssen! Jedoch: Ohne konkrete Vorstellungen zu haben, nach was ich eigentlich suchte bzw. was ich eigentlich gut und passend für mich und „meine“ Patienten fand, war dies ein schwieriges Unterfangen. Deshalb hieß es für mich, nach dem Prinzip „Versuch und Irrtum“ weiter zu forschen. Eine Freundin gab mir schließlich den entscheidenden Tipp: Die (damals) neue Institutsambulanz am Barbarossaplatz war auch nicht so weit entfernt und gut erreichbar. Wie sah es dort aus? Gab es dort andere Ausbildungsteilnehmerinnen zwecks Austauschs? Wie war die Praxis ausgestattet? Wie ist überhaupt dieser Leiter? Welche Atmosphäre herrschte dort?

Die Überraschung war dann perfekt: Dort gab es (fast) überall Fenster und damit Helligkeit, Weitblick in (fast) alle Himmelsrichtungen, natürlich auch auf den Dom, alle Räume frisch renoviert mit neuen Möbeln. Mehrere Ausbildungskandidaten saßen mit im gleichen Boot und einem lebhaften offenen Austausch stand nichts im Wege und einer Tasse Kaffee in der Küche und damit Raum zum Austausch und zum Quatschen ebenso nicht. Das spontane „Du“ des Institutsleiters als Intro, Gefühle des Willkommenseins. Heute heißt es als Begrüßung: „Da bist du ja!“ begleitet von jenem verschmitzten Lächeln, das Hans-Dieter eigen ist und er ruft es aus mit jenem Rhythmus, der eine besondere Wiedersehensfreude ausdrückt, so als lägen Jahre der Abwesenheit zwischen voriger Woche und heute. Gefühle des Angekommenseins und der Freude, der Beruhigung nach den ersten aufregenden Zeiten.

Seither gibt es eines für mich dort ganz gewiss nicht: Stillstand!
Neben den praktischen Erfahrungen in der therapeutischen Arbeit mit Patienten, in der immer noch Neues zu erfahren, zu erleben, zu sehen ist, gibt es auch in der Praxis immer wieder Neues zu bestaunen. Zuletzt jene superschicken hochglanzschwarzen Bildschirme, wo ganze Computer drin versteckt sind und an denen wir nun vor, nach und zwischen den Sitzungen werkeln können. Ab und zu funktioniert hier was nicht oder es dauert länger bis wieder etwas funktioniert. Für Hans-Dieter gibt es genug zu tun, und er ist dann ganz dabei: beim Organisieren, beim Korrigieren, beim Delegieren, beim Investieren in uns mit Ohr und Zeit. Und beim Feiern: Dort gibt es zuweilen bei Käse und Wein neue und alte Begegnungen, letzteres spätestens auf unserer Weihnachtsfeier.

Dem nächsten Schritt in Richtung Ab-und-Schluss-Prüfung sehe ich hoffnungsvoll, aber auch mit einer gewissen Wehmut entgegen. Es wird wieder Veränderungen geben, Vertrautes wird dem Unbekannten weichen müssen. Bis es soweit ist, genieße ich noch jenen Ort, jene Menschen und nicht zuletzt den Weitblick über Köln.