Dipl.-Psych. Evelyn Happe
Supervision: Einzel und Gruppe | Selbsterfahrung: Einzel und Gruppe
Grundhaltungen und Konzept zur Gestaltung meiner Selbsterfahrungs-Gruppen
Die Arbeit mit SE-Gruppen erlebe ich als spannend und herausfordernd. Sie ist für mich auch ein Quell eigener, nie endender Selbsterfahrung.
SE-Gruppen leite ich in Kooperation mit meinem Kollegen Philipp Rottmann, der zur Zeit in meiner Lehrpraxis die praktische Ausbildung absolviert. Unsere unterschiedlichen Sicht- und Wahrnehmungsmöglichkeiten schätze ich als zusätzlichen Gewinn für die Gruppe und für mich selbst.
Insgesamt möchten wir eine Haltung von Eigenverantwortung der Teilnehmer in Hinblick auf die Intensität der eigenen Selbsterfahrung fördern. Eine hohe Intensität ist grundsätzlich wünschenswert und birgt immense Chancen zur Weiterentwicklung. Jeder sollte aber selbst entscheiden, wie stark er sich in den Übungen einbringen möchte, und diesen Prozess variabel und persönlich abstimmen.
Zusätzlich zur Eigenverantwortung der Teilnehmer ist uns der achtsame und wertschätzende Umgang miteinander sehr wichtig. Wir motivieren zu offenem und authentischem Feedback, um eine Vielfalt und auch Fülle an unterschiedlichen Wahrnehmungen herzustellen und möglichst viele wertvolle Informationen für jeden Einzelnen gewinnen zu können. Wir selbst verstehen uns als Prozessbegleiter für die Gesamtgruppe, für Kleingruppenarbeit und für jeden Einzelnen.
Unsere inhaltlichen Angebote sind geprägt von systemischen, verhaltenstherapeutischen und hypnotherapeutischen Konzepten, insbesondere von stark Emotions- und Erlebens-orientierten Übungen, die möglichst auch mit körperlicher Aktivierung einhergehen.
Inhaltlich-strukturell bildet der Grundgedanke von Bernd Ubben den roten Faden: Es sollen zwei Prozesse miteinander verwirkt werden - die biografisch geprägte Berufung der Teilnehmer im Sinne ihrer Ressourcen und persönlichen Entwicklungsaufgaben insgesamt und die Etablierung der therapeutischen Kompetenzen. Dabei streben wir an, keine idealen, aber originale Therapeuten zu fördern, also solche, die sich ihrer selbst und ihrer Entwicklungsaufgaben sehr bewusst sind und ihre Ressourcen und persönlichen Bewältigungserfahrungen in der therapeutischen Arbeit zukünftig effektiv nutzen können.
Um zu verdeutlichen, was methodisch konkret gemeint ist, skizziere ich eine Kernübung, die wir die „Rote-Knöpfe-Übung der Selbsterfahrung“ genannt haben:
Die Teilnehmer fokussieren sich im Rollenspiel in eine Therapiesituation, die sie selbst sehr schwierig oder sogar aversiv erlebt haben. Die dort erlebten starken Affekte werden als Körper- und Emotionsanker („rote Knöpfe“) genutzt. Die Protagonisten bewegen sich im Raum auf einem imaginierten Zeitstrahl rückwärts in ihre Vergangenheit. Der Emotionsanker wird genutzt, um biografisch relevante Situationen aufzuspüren, die mit diesem Affekt in engem Zusammenhang stehen. Die Situation, häufig eine lebensgeschichtlich sehr frühe Situation, die die stärksten negativen Affekte birgt, wird fokussiert und ansatzweise nacherlebt. Der Protagonist verlässt dann seine Rolle und wechselt in die Rolle eines für ihn geeigneten kompetenten Beraters. Er fokussiert die Ressourcen, die die meist kindliche Person zu diesem Zeitpunkt dringend braucht, um sich gut weiterentwickeln zu können. In einem imaginativen Prozess bekommt das Kind jetzt die Zuwendung, die es damals in der Vergangenheit gebraucht hätte.
Der Effekt dieser Rote-Knöpfe-Übung: Es kommt zu einer tiefgreifenden Validierung des Erlebens, der verletzten Grundbedürfnisse und Selbstanteile sowie zu einer Neubewertung von negativen Grundüberzeugungen. Der Teilnehmer gewinnt hierbei die Möglichkeit, sehr bewusst und selbstverantwortlich mit für ihn vormals aversiv erlebten Klienten oder aversiv erlebten Therapiesituationen umzugehen.
Zum Ablauf der Selbsterfahrung
An den ersten Wochenenden steht die Entwicklung einer tragfähigen Gruppenkohäsion im Vordergrund. Übergreifende gemeinsame Themen, wie z. B. „meine Rolle im Kliniksetting“, eignen sich hierfür besonders. Außerdem werden zunächst spielerisch lebensgeschichtlich bedeutsame Ressourcen in der Großgruppe gezeigt. So gibt es an jedem Wochenende eine Ressourcenstunde, in der persönliche Dinge gezeigt und dargestellt werden. Ziel ist es, dass sich die Teilnehmer im Feedback der Anderen austauschen, intensiv wahrnehmen und sich in der Großgruppe sicher fühlen.
Im Mittelteil der SE stehen die biografische Entwicklung, die potenziellen Hindernisse sowie die persönlichen und therapeutischen Entwicklungsaufgaben - wie schon oben skizziert.
Im letzten Teil der SE wird die zukünftige therapeutische und persönliche Identität mit narrativen Methoden gefestigt und neu Entwickeltes integriert. Die Teilnehmer erarbeiten außerdem einen übergreifenden Sinn-Satz, der auf ihren übergeordneten Wert-Haltungen basiert, und schreiben ihre persönliche Geschichte als Bewältigungsgeschichte in einer Art Märchen oder Fantasiegeschichte auf.
Zum Setting
Die Gruppen bestehen i. d. R. aus 12 Teilnehmern. Die Selbsterfahrung führen wir in Schloss Lüntenbeck in Wuppertal durch. Das Gelände und die Räumlichkeiten eignen sich ideal für eine Selbsterfahrungsgruppe, da hier zum Einen eine behagliche Atmosphäre der Geborgenheit herrscht und sich außerdem entspannt Abstand vom alltäglichen Ausbildungsstress gewinnen lässt. So fällt es leichter, sich für neue Eindrücken und für die Gruppe zu öffnen und eine selbstreflektierende Perspektive einzunehmen.