Dipl.-Psych. Guido Roth



Supervision: Einzel | Selbsterfahrung: Einzel

Als Dozent und als Supervisor wurde ich immer mal wieder gefragt, ob ich auch für Einzel-Selbsterfahrung zur Verfügung stünde. Da in meinen Supervisionen ein solcher Wechsel der Ebene gelegentlich „von selbst“ - hihi! ;-) stattgefunden hat und weil ich es spannend finde, die Selbsterfahrung auch absichtsvoll in den Fokus zu nehmen, stehe ich nun auf dieser Liste.

 Welche Vorbildung haben Sie für diese Tätigkeit?

Als hauptsächliche Vorbildung für die Selbsterfahrung verstehe ich meine eigene therapeutische und supervisorische Ausbildung und Tätigkeit. Ich habe mich sowohl beruflich als auch persönlich mit professioneller therapeutischer Selbstfürsorge befasst und halte dies aus eigener Erfahrung für einen wichtigen und vielleicht strukturell etwas unterbelichteten Aspekt der Weiterbildung in Psychotherapie. Daher verstehe ich unter Selbsterfahrung, sich selbst unter einer fürsorglichen Perspektive in den professionellen Fokus zu nehmen.

Als Supervisor arbeite ich immer auch unter einer Selbsterfahrungsperspektive: Neben der Fallarbeit ist mir die Entwicklung der „Therapeut*innen-Person und -Persönlichkeit“ ein wichtiges Anliegen. Wir Therapeut*innen sind das Instrument unserer eigenen Arbeit: Wir gehen Beziehungen zu unseren Klient*innen ein. Wir wollen und wünschen uns etwas für unsere Klient*innen und wir reagieren auf sie und manchmal wachsen wir ein Stück mit ihnen. Das meiste davon tun wir - wenn wir ehrlich sind - unwillkürlich.

Last but not least (re-)agieren wir auch noch - wie die Systemiker so schön sagen - „selbstrückbezüglich“: Unsere Erwartungen, Hoffnungen, Ansprüche, Ideale, unser Vorwissen und unsere Vorerfahrung gleichen wir mit dem ab, was wir tun und was dabei heraus kommt. Wir arbeiten nicht nur mit Klient*innen und Methoden, sondern immer auch mit uns selbst.

Einen Teil der Aufmerksamkeit bewusst auf mich selbst, auf „die Person, die das da gerade macht“ zu richten und zu schauen, wie es ihr damit geht und wie sie reagiert, halte ich für einen integralen Bestandteil der Ausbildung im Beruf der Psychotherapeut*in.

Die wesentlichen Ziele der Selbsterfahrung sind also aus meiner Sicht:

· Das Kennenlernen der eigenen Person als Therapeut*in

· Das Differenzierenlernen zwischen der „professionellen Therapeut*innen-Person“ und der privaten Person

· Der Schutz privater Aspekte

· Die versierte Nutzung der persönlichen Ressourcen der „privaten Person“ im therapeutischen bzw. beruflichen Kontext

Welche Selbsterfahrungselemente halten Sie für unverzichtbar?

· Die Berücksichtigung der individuellen Lerngeschichte

· Emotionale Aktivierung

· Achtsamkeit

Nicht für unverzichtbar aber für sehr wichtig halte ich im Übrigen eine existenzielle Perspektive, d.h. den sogenannten „letzten Fragen“ von Leben und Tod und Sinn und Freiheit und Verbindung und Isolation in der therapeutischen Selbsterfahrung Raum zu geben. „Das Ich wird am Du“ hat der jüdische Philosoph Martin Buber formuliert.

Diese Fragen zu erkunden finde ich reizvoll. Dabei „von Mensch zu Mensch“ zu sprechen – irgendwo habe ich gelesen, dass es schlicht dämlich sei, sich über Existenzielles NICHT von Mensch zu Mensch zu unterhalten! – ist ebenso reizvoll für mich, auch in der Supervision und Einzel-Selbsterfahrung.

Was finden Sie schwierig?

Alles. Aber ich mag schwierig :)

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