Dipl.-Psych. Dr. Rainer Lutz



Supervision: Einzel und Gruppe | Selbsterfahrung: Einzel und Gruppe

In meiner Studienzeit gab es noch keine Schwerpunkt­aus­bil­dung in KLIPS. Da ich wissen wollte, was das eigentlich ist und ob das mein fachlicher Schwerpunkt sein kann, habe ich ein Semester an der Uni pausiert und stattdessen ein ¾ Jahr in der Kinder- und Jugendpsychiatrie in Frankfurt hospitiert. Der Stati­ons­psychologe begann, verhaltenstherapeutische Methoden ein­zuführen und ich konnte als Student Thera­pie­praxis erwerben. Die Idee, dass eine klinische Theorie nur dann zu verstehen ist, wenn man sie sofort auch in die Praxis umsetzt, begleitet mich seit dieser Zeit.

Nach dem Abschluss meines Diploms, 1970, konnte ich keine Therapieaus­bildung in VT beginnen; es gab keine geordneten Ausbil­dungs­gänge. Also habe ich erfahrenen und bekannten Kollegen über die Schulter schauen dürfen, die mich nachhaltig ge­prägt haben: Eva Jaeggi, Bochum; Ron Ramsay, Am­ster­dam; Fred Kanfer, Champaign/Illinois; Dieter Kallinke, Heidelberg.

Die Europäische Rezeption von Verhaltenstherapie war stark diagnostisch orientiert (Kanfer; Schulte) und ich meine auch heute noch, dass man erst denken und dann handeln soll. Alle meine Vorbilder erkannten immer auch die Ressourcen ihrer Pa­ti­enten. Ron Ramsay propagierte 1973, dass Adipöse alles, auch Schokolade, essen dürfen, aber: mit Genuss und damit auch in Maßen. Die segensreiche Wirkung von Ressourcen und Genuss verfolge ich also schon lange und ich glaube allen Ernstes, dass die Förderung von Ressourcen, insbesondere von Freude und Lachen, Genuss und Wohlergehen manche „klas­sische“ symptomatische Therapie wenn nicht ersetzen so doch bereichern kann. Ein weiterer Aspekt meiner privaten Therapie­ideologie: Manche benannten Symptome sind Neben­kriegs­­schau­plätze, das zentrale Problem dieser Patienten ist der Mangel an Selbstfürsorge (SFS) und als Oberplan das Verbot, ein Gutes Leben führen zu dürfen. Empirisch belegt ist, dass SFS ein schwieriges Therapieziel ist und Patienten im Vergleich zu umschriebenen Störungen wie z. B. Ängste nur verzögerte Verbesserungen zulassen.

Ziele einer VT-SE orientieren sich am Beruf und gleichermaßen an der Person des Therapeuten sowie an diagnostischen und therapeutischen Prozessen. Spezielle Inhalte werden durch die klinischen Überzeugungen (s. o.) geprägt: SFS wird durch­ge­hend mit dem Ziel einer Burnoutprophylaxe thematisiert. Weiterbildungs­teil­neh­mer sollen die Freude an Ihrem Beruf behalten. Üblicherweise werden folgende Themen behandelt:

· Verhaltensdiagnostik einer eigenen umschriebenen Verhal­tens­­­weise und der Versuch diese zu verändern

· (Video-) Rückmeldung einer diagnostischen oder therapeu­tischen Sequenz

· Der „schwierige“ Patient, schwierige Therapiesituationen

· Selbstfürsorge im privaten und beruflichen Bereich

· Biographiearbeit

· Sätze meiner Erzieher, heutige Oberpläne

· Regeln für ein gutes Leben

· . . .

Die Teilnehmer können eigene Themen einbringen oder für die vorgeschlagenen Themen mehr oder weniger viel Zeit auf­wen­den.

Eine kritische Anmerkung: Möglicherweise sind die folgenden Aspekte stockkonservativ – wie ich mich eigentlich nicht ein­schätze – sei es drum: Eine Weiterbildung zum Psychothera­peuten kann nervend, teuer, langweilig, … sein. Gleichwohl: Sie durchlaufen zu können ist ein Privileg (persönliche Eignung, finan­zielle Möglichkeiten) mit der Aussicht auf einen der schönsten Berufe. SE ist ein Luxus, wenn auch ein verordneter. Seminare sollten nicht mit der Einstellung des Kunden und Kon­sumenten besucht werden. Für eine SE-Gruppe ist eine Kon­sum­einstellung kontraindiziert. SE hat auch nichts mit Well­being zu tun, auch wenn SE-Gruppen hedonistische Nischen besetzen können. Keiner sollte die SE absolvieren, nur weil sie gerade dran ist, aber er/sie nicht die Bereitschaft zur Öffnung bei sich registriert. Teilnehmer ohne Anliegen sind für die Gruppe ätzend und den Leiter schwierig.

Die Selbsterfahrungsgruppe ist eine Gruppe. Mitunter müssen sich individuelle Interessen den Notwendigkeiten einer Grup­pen­­­arbeit unterordnen, z. B. verbindliche Zeiten, respektvoller Umgang miteinander. Zur SE-Gruppenarbeit gehört, dass sie für die verabredeten Termine hohe Priorität besitzen. Der Geburts­tag eines Freundes in einer laufenden Beziehung z. B. kann kein Grund zum Fehlen sein. Alle Teilnehmer waren bisher jung genug, um auch abends feiern zu können. Fehlt ein Gruppen­mitglied, dann fehlt das und zwar i. d. R. nachhaltig. Aus der Gestalt­psychologie abgeleitet gilt: Die Gruppe ist mehr als die Summe seiner Teilnehmer.

Wer in die SE geht, muss die Bereitschaft mitbringen, etwas über sich zu erfahren zu wollen und andere dabei zu begleiten und beobachten, wie sie das anstellen. Eine gelungene SE-Gruppe ist für alle Beteiligten ein Gewinn. Das kann  nur eine Gemeinschaftsleistung sein.

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