AVT Köln

“...the more unlived your life, the greater your death anxiety. The more you fail to experience your life fully, the more you will fear death”
(aus:
Irvin D. Yalom, Staring at the Sun: Overcoming the Terror of Death)

Das Leben stellt uns und unseren Patient*innen Fragen. Bei der Erkundung der Antwortmöglichkeiten - für sich allein oder in der Therapie - stößt man dabei von Zeit zu Zeit auf sogenannte “letzte Fragen”. Anders gesagt: Wir sind dann konfrontiert mit der existenziellen Herausforderung, dass wir ein Leben gestalten müssen. Diese Fragen können sich im Laufe des Lebens jedem Menschen stellen, durch eigene oder berichtete Erlebnisse, in der Konversation mit anderen und durch Lektüre. Insbesondere sogenannte “Lebenskrisen” (Verlustereignisse, Erkrankung, “Schicksalsschläge”) können Angst vor und Sehnsucht nach Antworten auf diese tiefen Fragen auslösen. Können wir solche Fragen in der Psychotherapie “behandeln”? Sollen wir das? Dürfen wir das?

Existenzielle Ansätze der Psychotherapie bieten uns ein Verständnis für und eine therapeutische Haltung zu diesen Fragen an. Sie begründen sich dabei vor allem in der philosophischen Tradition - nicht nur des Existenzialismus - und ihrem Angebot an tiefsinnigen und reichhaltigen Sichtweisen auf das Leben und das Mensch-Sein.

Zentral für existenzielle Ansätze ist, dass eine aktive Auseinandersetzung mit den Grundthemen der menschlichen Existenz angestrebt wird: Für Yalom sind dies: Tod, Freiheit, Isolation und Sinnlosigkeit - die sogenannten existential givens. Die Beschäftigung mit existenziellen Themen in der Psychotherapie ist relevant, weil die Angst vor der Auseinandersetzung mit diesen Fragen (bei Yalom: die “Abwehr” dieser Themen) zu Störungsgeschehen (z. B. Angst, Depression) und Symptomen (z. B. Vermeidungsverhalten, Substanzkonsum, Grübeln) führen kann. Zweitens und im Kern wichtiger für die existenzielle Psychotherapie bietet die Beschäftigung mit diesen Themen die Chance und Möglichkeit zu Zweifeln: Die existenzielle Verzweiflung regt die Menschen zur Neuorientierung an, zur Sinnsuche und zum Sprung in die Selbstwerdung (Selbstwahl/Selbstfindung/ Selbstentwicklung)! Die Beschäftigung mit existenziellen Fragen kann somit als Attraktor und Motivation für Verhaltensregulation und als veränderter Bedeutungsrahmen für kognitiv-emotionale Symptomatik dienen. Existenzielle Fragen finden dabei stets im konkreten, anschaulichen Leben der Patient*innen statt, beinhalten jedoch eine existenzphilosophische Dimension die im vorliegenden Seminar beleuchtet werden soll.

Ziel des Seminars ist zunächst, die Grundhaltung der existenziellen Therapie darzustellen. Hierfür wird ein Überblick über die philosophische und psychotherapeutische Theorie und Tradition existenzieller Ansätze gegeben. Im zweiten Teil des Seminars liegt der Schwerpunkt sodann auf der Erfahrung der Auseinandersetzung mit existenziellen Themen: Die Teilnehmer sollen durch Selbsterfahrungselemente zur Beschäftigung mit existenziellen Themen angeregt werden. Die Anwendung existenzieller Therapie wird durch Rollenspiele, praktische Übungen und Kleingruppenarbeiten vermittelt. Dabei werden technisch-methodische Aspekte existenzieller Gesprächsführung (Grundhaltung, Fragetechniken, Hinführung zu und Vermittlung von existenziellen Fragen) eingeübt und konkrete Fragestellungen “aus dem Leben” aus existenzieller Perspektive beispielhaft erörtert.

Das Seminar soll somit Grundlagenwissen über existenzielle Ansätze und eine therapeutische Grundhaltung zu existentiellen Fragen vermitteln. Es soll vor allem Interesse und Neugier wecken, sich sowohl therapeutisch als auch persönlich mit existenziellen Themen auseinanderzusetzen, und kann auch Ihre persönliche Selbstwerdung anregen. Die eigene (Selbst-)Erfahrung und die vermittelten Techniken sollen Ihre therapeutische Arbeit bereichern und vertiefen und Sie vorbereiten auf Patient*innen und therapeutische Situationen, die existenzielle Fragestellungen evozieren.

Sie erhalten ein umfangreiches Skript mit weiterführendem Material zum Selbststudium, Arbeitsmaterialien für die Psychotherapie sowie ausführlichen Literaturanregungen.